Die Corona-Lockerungen schreiten voran – was sagen die Zahlen?

Wir sollten die Zahlen und unser eigenes Verhalten weiterhin im Blick behalten

Verglichen mit manch anderem Land sind wir in Deutschland bisher glimpflich davon gekommen. Vorsichtige Lockerungen schreiten voran. Auch bei uns zuhause wird ab heute an zwei Tagen die Woche und für je drei Stunden die Schule wieder beginnen – nicht im Klassenverband sondern in kleinen Gruppen. Auf dem Schulhof scheinen Kreuze aufgemalt zu sein, auf die sich die Kinder während der Pause offensichtlich stellen sollen.

Man wird sehen, wie das und vieles andere funktioniert. Die Lockerungen, genau wie auch die Maßnahmen, sehen regional jeweils verschieden aus. Aus den jeweiligen Auswirkungen wird sich viel lernen lassen, wie dem Virus am besten zu begegnen ist. Wir sollten sicher alle die täglich veröffentlichten Zahlen des Robert Koch Instituts (RKI) verfolgen, immer wieder einen Blick auf deren Dashboard werfen – und nicht zuletzt auch unser eigenes Verhalten im Blick behalten.

Kennt jemand eine Quelle für die Rohdaten in Deutschland?

Das Dashboard des RKI gleicht dem der Johns Hopkins Universität, die im Kleingedruckten auch einen Link zu ihren Rohdaten veröffentlicht. Alle Auswertungen in diesem Blog kommen von diesen Daten.

Kennt jemand solch einen Link für die Daten in Deutschland?
Ich bin sicher nicht der einzige, der sich die Dinge – gerade jetzt – liebend gern regelmäßig selbst anschauen würde. Auf meinem „Wunschzettel“ für diese Daten steht:

  • Tabellenformat (csv, xls, txt, …) mit Spalten für
  • Datum
  • Landkreis o. ä. mit jeweils
  • Gesamtzahl bestätigter Fälle
  • Gesamtzahl Genesungen
  • Gesamtzahl Todesfälle.

Aus den Gesamtzahlen lassen sich die täglich neuen Zahlen berechnen. Wenn es statt dieser Zahlen die täglich neuen Zahlen gibt, dann lassen sich natürlich auch die Gesamtzahlen berechnen. Falls beide veröffentlicht werden, so kann man deren Konsistenz prüfen. Sehr schön wäre es, wenn je Landkreis, Verwaltungsbezirk oder in welcher Form auch immer die Daten gesammelt werden, auch noch

  • GPS-Koordinaten und
  • Einwohnerzahl

zu haben wären. Diese Informationen können in neuen Spalten stehen oder auch gerne in einer separaten, aber dann bitte vollständigen Liste. Soweit mein Wunschzettel. Dem Dashbord des RKI müssen jedenfalls Daten in solch einem Format zugrunde liegen. Es gibt sie also. Wenn jemand den Link kennt, den ich bisher übersehen habe: sehr gerne!

Die „post-Corona Welt“ zeichnet sich am Horizont ab

Viele haben inzwischen notgedrungenerweise gelernt, von zuhause aus zu arbeiten. Man kennt von Menschen, denen man bisher nie begegnet ist, die Kücheneinrichtung und wird inzwischen auch schon von deren auf dem Schoß sitzenden Sohnemann begrüßt: trotz des Spagats, den viele machen müssen, erscheint in dieser neuen Arbeitswelt manches deutlich entspannter. Es zählt nicht mein Titel, wie groß mein Büro ist und ob mein Dienstwagen direkt vor dem Foyer oder auf dem Firmenparkplatz steht. Es geht darum, ob ich Probleme lösen kann und Dinge im Fluss halte. Zur allgemeinen Überraschung klappt das ganz gut, nicht zuletzt auch, weil Werkzeuge und Plattformen für virtuelle Zusammenarbeit derzeit einen Boom erleben.

Twitter verspricht konsequenterweise schon jetzt „Homeoffice für immer“ und auch Facebook zieht nach. Videokonferenzen unter europäischen Politikern sind der neue Standard. Auch hält die CSU einen virtuellen Parteitag und gewinnt dem einiges ab: man könne so auch in Zukunft viel schneller und flexibler Rücksprache mit Mitgliedern halten.

Wir werden sehen, in welcher Form diese Dinge in Deutschland Breitenwirkung erzeugen und auf Dauer Wurzeln schlagen. Muss man wirklich weiterhin für ein „Business Review“ im Quartalrhythmus in aller Herren Länder fliegen? Vielleicht wird das persönliche Treffen -nicht nur von Angesicht zu Angesicht dank Bildschirmübertragung sondern auch mit Möglichkeit zum Händedruck – zu einem Luxus, ähnlich dem von weit her eingeflogenen Lebensmittel zum Beispiel?

Unsere Lieferketten waren bisher vor allem auf Effizienz getrimmt. Es steht zu hoffen, dass es nun vermehrt auch um Resilienz und Nachhaltigkeit geht. Redundanzen und „near-shoring“ werden dabei vermutlich eine Rolle spielen. Gerade in Frankreich gibt es derzeit eine rege Debatte darüber, was wir aus Corona lernen können und müssen, um unseren Enkeln einen besseren Planeten übergeben zu können als den, zu dem wir das Erbe unserer Großeltern gemacht haben.

Die Sache ist allerdings noch lange nicht vorbei

Über den Daumen gepeilt haben wir in Deutschland knapp 178.000 bestätigte Corona-Fälle, von denen sich nur noch 12.000 im Krankenstand befinden – was schlimm genug ist. Seit dem 8. Mai kommen Tag für Tag für ganz Deutschland 630 bis 640 neue Fälle dazu (Regressionskoeffizient 99%), was etwa 60% der täglich bei Verkehrsunfällen verletzten Personen entspricht. Dieser Vergleich hinkt natürlich gewaltig: Wenn man sich die Todesfälle anschaut, dann liegt Corona weiterhin um einen Faktor 5-6 höher. Verkehrsunfälle wachsen auch nicht exponentiell, mit einer Verdopplungszeit von 2-3 Tagen, wenn man nichts dagegen tut. Der Vergleich zeigt aber zumindest, wie viel bei uns inzwischen erreicht wurde.

Ein Blick in die Welt zeigt jedoch auch, dass wir uns glücklich schätzen müssen: weltweit kennen die Zahlen bisher nur eine Richtung und der Höhepunkt ist noch längst nicht erreicht:

Von den über 81 Millionen Einwohnern in Deutschland steht – laut verfügbaren Zahlen – 99,8% das Risiko einer Erkrankung zudem weiterhin bevor. Wenn wir zu unserem Verhalten vom Februar zurückkehren, dann könnten sich auch die Wachstumszahlen vom Februar wieder einstellen. Berichte von dem einen oder anderen „Super-Spreader“ haben wir ja gelesen oder gehört.

Schauen wir uns an, welche Länder laut Johns Hopkins Universität derzeit die meisten „aktive“ Fälle verzeichnen …

… und wie die Entwicklungen in den vier am meisten betroffenen Ländern aussehen:

Man mag die Zahlen der Gesundeten in Großbritannien und die der Todesfälle in Russland anzweifeln und vielleicht gleich alle Zahlen aus Brasilien – aber dass gerade in Brasilien die „Reise“ erst am Anfang steht, erkennt man allein schon an dem exponentiellen Wachstum, das laut unseren eigenen Berechnungen derzeit einer Verdopplung alle 13 Tage entspricht (Regressionskoeffizient nahe 100%). Zum Vergleich: Peru, derzeit an Position 7 was den Krankenstand angeht, liegt bei einer Verdopplung alle 16 Tage (bei ebenfalls sehr hohem Regressionskoeffizienten).

Man wird deshalb auch diese Entwicklung im Auge behalten müssen:

Dargestellt sind in rot der tagesaktuelle Krankenstand vom 25. Mai und in schwarz die Wanderung im Laufe der Zeit des globalen Schwerpunkts dieser Zahlen: nach einer Ausbreitung zunächst in China hat sich das Virus sehr schnell Richtung Westen ausgebreitet.

Der Schwerpunkt (näheres zur Berechnung im Eintrag vom 31. März) blieb dann eine geraume Zeit über dem nördlichen Atlantik – und scheint seit neuestem eine lang vorhergesagte Reise nach Süden anzutreten. Es könnte durchaus sein, dass die größte humanitäre Katastrophen, auch durch Corona verursachte Hungernöte, uns noch bevorstehen.

Wie geht es eigentlich der Automobilindustrie seit Corona?

Schlecht natürlich. Wie allen. Ein genauerer Blick lohnt aber sicher und wir besorgen uns Daten von Yahoo Finance. Natürlich: der Aktienkurs ist nicht alles und gerade in außergewöhnlichen Zeiten sieht man gelegentlich übertriebene Markterwartungen – sowohl nach oben als auch nach unten. Aber die Aktienkurse haben zumindest den Charme, dass sie öffentlich einsehbar und jederzeit verfügbar sind.

Der handelsübliche Kursvergleich

Üblicherweise werden Entwicklungen verglichen relativ zu dem Kurs an einem bestimmten Datum. Da nun Aktienkurse bekanntermaßen Schwankungen unterliegen, verschaffen wir uns so allerdings einen „Wackelkandidaten“ im Nenner. Mit etwas Gymnastik gelingt dadurch gelegentlich, Kursverläufen das gewünschte Aussehen zu geben, indem man mit dem Bezugsdatum spielt.

Verglichen wird auch oft mit „dem Markt“. In Deutschland ist das der DAX, in den USA der Dow Jones und so weiter. Was aber, wenn wir Daimler, Toyota, Ford, Hyundai, Geely und Tesla vergleichen wollen?

Unser Kursvergleich für ausgewählte Automobilhersteller

Wir wählen deshalb zum einen den MSCI World als Vergleichsindex und verfolgen die Kursentwicklung nicht relativ zu einem bestimmten Tag sondern relativ zum Mittelwert über einen gewissen Zeitraum.

Man muss nicht lange hinschauen, um zu sehen, dass hier ein Sonderling dabei ist. Der zweite Blick ist aber vielleicht interessanter: auch schon vor der Corona-Zeit hat der Markt die Automobilindustrie immer pessimistischer eingeschätzt: von einer Lage klar über der (rot dargestellten) Linie des MSCI-World im vierten Quartal 2019 rutschen die Kurse bis Januar 2020 kontinuierlich ab. Aus Sicht des Marktes verschärft Corona diesen Trend also lediglich. Die gegenläufige Entwicklung des „Sonderlings“ mögen andere beurteilen. Wichtig ist hier: wir können dieseDinge sichtbar machen.

Was wäre wenn? – Wie Sie solche Analysen nutzen können

Das obige Diagramm ist (für ein anderes Portfolio freilich) Auftragsarbeit. Was man halt so tut in diesen Zeiten. Nun stellen wir uns aber einmal vor: was wäre, wenn derartige Analysen ein fester Bestandteil Ihres QBRs (zu deutsch: „Quarterly Business Review“) wären – einfach nur, um den Blick nach außen zu richten und nicht zu sehr „im eigenen Saft zu schmoren“? Stellen wir uns weiter vor, Sie hätten diese Auswertungen auf dem Tisch liegen für ausgewählte:

  • Konkurrenten
  • Lieferanten
  • Kunden.

Wie würde das die Diskussionen und die taktischen Beschlüsse für das nächste Quartal beeinflussen?

 

Corona: wir können viel von Asien lernen – und vom europäischen Norden

Der Blick über den Tellerrand

In den Nachrichten werden immer wieder die Corona-Entwicklungen verschiedener Regionen gegenüber gestellt. Wir wollen deshalb einmal die großen Länder Europas, also Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien, in Zusammenschau mit vergleichbaren asiatischen Ländern betrachten. Eine Überraschung heben wir uns für den Schluss auf.

Bis vor kurzem hat manch einer vielleicht noch maskierte asiatische Touristen belächelt. Nun verstehen wir: wenn ich eine Maske trage, dann schütze ich vor allem die anderen. Hätten wir nicht auch früher schon von Asiaten lernen sollen, anstatt in Bus und Bahn zu husten und zu niesen?

Ein Ländervergleich

Ich habe hier drei asiatische Länder ausgewählt, die in gewisser Hinsicht mit europäischen durchaus vergleichbar sind – denn es geht nicht zuletzt auch um die Frage, welche Dinge in einer Gesellschaft umsetzbar sind. Was in China möglich ist funktioniert nicht notwendigerweise auch bei uns. Zunächst aber ein Blick auf Europa:

Die Graphik spricht Bände und wir können uns in Deutschland glücklich schätzen, wie wirkungsvoll die „Vollbremsung“ bei uns bisher war.

Wir wollen diese Entwicklungen nun vergleichen mit denen von Japan, Südkorea und Taiwan. Ausgewählt habe ich die Länder nach Bruttosozialprodukt pro Kopf, Einwohnerzahl (Daten jeweils aus Wikipedia) und nach „Demokratie-Index“ des Economist als Maß für die Art, wie eine Gesellschaft sich organisiert. Ich hoffe, dass auch diejenigen diesem Vergleich folgen, bei denen die Demokratie als Gesellschaftsform inzwischen in Misskredit geraten ist:

Hier nun die COVID-19 Daten aus diesen asiatischen Ländern im Vergleich zu Deutschland:

Was zunächst auffällt ist, wie gering die Zahlen ausfallen: In Taiwan waren es bis Mitte März lediglich 50 (!) bestätigte Fälle – und das bei zahlreichen Direktflügen, auch aus Wuhan. Innerhalb eines Monats sind diese Zahlen auf gut 400 angestiegen. Man zählt seither kaum noch Neuinfektionen – und das bei einer Bevölkerung, die knapp doppelt so groß ist wie die von Bayern. Selbst in dem dicht besiedelten Japan mit einer im Vergleich zu Deutschland um 50% größeren Bevölkerung, und mit 9 Millionen Menschen allein in Tokio, hat man nur 10% der Infektionen, die wir in Deutschland erdulden müssen. Blick nach Südkorea: dort scheint nun schon seit fast zwei Monaten die Lage im Griff zu sein. Es verwundert insofern, dass der Economist vom 2. Mai in seinem Leitartikel ausgerechnet Deutschland lobt.

Der hohe europäische Norden sorgt für noch eine Überraschung

Bei all den vielen Ländern und Regionen, für die die Johns Hopkins Universität die Zahlen erfasst und veröffentlicht, ist es inzwischen ein „big data“ Problem geworden, überraschende Länder herauszufiltern. Island verheddert sich zumindest in meinen Algorithmen:

Wie kann das denn bitte sein? Anfang März ging es los – und Anfang April soll es bei einem Krankenstand von insgesamt 1000 Menschen schon vorbei gewesen sein? Wir hoffen das beste und drücken den Menschen in Island alle Daumen.

Eines steht aber fest: der Blick über den Zaun lohnt.
Wir können – und müssen sicher – sehr viel voneinander lernen.

Mit ein bisschen Glück steht die Welt nämlich dann bei der nächsten großen Herausforderung zusammen. Die Karikatur des Economist vom 25. April zeigt auch, um was es nach dieser „Vorrunde“ ihrer Ansicht nach geht. Aber das Bild zeige ich hier mit Blick auf den Schutz des intellektuellen Eigentums wohl eher nicht…