Wie steht es eigentlich um die Demokratie in der Welt?

Dieser Blog ist seit fast zwei Jahren verwaist – was schade ist. Seit dem letzten Eintrag ist viel geschehen. Einen Wendepunkt stellt der 24. Februar 2022 dar. Auch in meinem Leben haben sich so neue Schwerpunkte ergeben.

Wir haben nicht aufgepasst

„Als Menschheit“ haben wir manches verschlafen. Viele Länder haben die Erfahrung gemacht, was passiert, wenn ein Volk über Jahre hinweg einer Propaganda ausgesetzt wird und unabhängige Stimmen eine nach der anderen mundtot gemacht werden.

Nun ist die freie Meinungsäußerung sicher nur ein Aspekt unter vielen, auf die es zu achten gilt. Bei meiner Suche bin ich auf die hervorragende Webseite State of Democracy und auf eine über sie veröffentlichte Datenbank bei The Global State of Democracy | International IDEA gestoßen (siehe dort: Data & Tools):

„Diese Daten müssen allen Menschen zur Verfügung stehen!“

Zu 160+ Ländern liegen dort Daten von den Jahren 1975 bis heute vor und dies zu 116 „Indizes“, die z.T. in 8 „sub-sub-Attribute“, in 16 „sub-Attribute“ und 5 „Hauptattribute“ aggregiert werden. „Nichts für mich“, werden Sie sich vielleicht sagen, „da muss eine Statistikerin ran“. So bleibt dann dieser Fundus an Daten den wenigen Statistikern vorbehalten, die ihnen Einsichten entlocken können. Es entsteht ein Flaschenhals – und etwas fundamental undemokratisches. Denn der größte Teil der Menschheit bleibt somit ausgeschlossen.

Alle Länder sollten „unter Beobachtung“ stehen

Das ist ein großer Verlust. Denn zum einen sollten wir alle auf unser eigenes Land, auf Nachbarländer und überhaupt „auf die Welt“ aufpassen. Und das ist nur möglich, wenn wir eine Art „Dashboard“ haben, das uns hilft, Entwicklungen schnell zu erkennen.

Zum anderen: wenn wir über „Demokratie“ sprechen, dann tun wir das häufig im Sinne der „Mechanik“: Wahlen, Gewaltenteilung usw. „State of Democracy“ betrachtet Demokratie stattdessen aus „Kundensicht“: was erwarten sich Menschen von ihrem Staat und was können sie erwarten?

Es geht um 5 Aspekte:

  • Fundamentale Rechte
  • Überprüfung der Regierung
  • Eine unparteiische Verwaltung
  • Einbindung der Bevölkerung und
  • Eine repräsentative Regierung.

Nun fragen Sie völlig zu recht, was mit dem Attribut „fundamentale Rechten“ gemeint sein könnte. Hier geht es wieder um drei wesentliche sub-Attribute:

  • Zugang zur Justiz
  • Bürgerliche Freiheiten
  • Soziale Rechte und Gleichheit.

Auch hier werden Sie fragen, was „bürgerliche Freiheiten“ wohl sind. Laut „State of Democracy“ bestehen diese aus den folgenden „sub-sub-Attributen“:

  • Die freie Meinungsäußerung
  • Die Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit
  • Die Freiheit der Religion
  • Die Bewegungsfreiheit und um
  • Persönliche Integrität und Sicherheit.

Allein die freie Meinungsäußerung wird über 8 Indizes gemessen.

Wir können selbstverständlich unterschiedlicher Ansicht sein, ob die freie Meinungsäußerung wohl uneingeschränkt gelten sollte. Bei uns in Deutschland ist zum Beispiel die Leugnung des Holocaust strafbewehrt. Auch gibt es verschiedene Ansichten zum Attribute der Einbindung der Bevölkerung, die neben drei anderen auch über das sub-Attribut „direkte Demokratie“ beschrieben wird: birgt die direkte Demokratie nicht auch populistische und andere Gefahren?

Was „gut“ oder „richtig“ ist wird also kontrovers diskutiert und die demokratische Republik Kongo mag andere Antworten finden als Andorra. Die vorliegenden Daten, erstellt mit einer mir ansonsten unbekannten Sorgfalt (siehe das „Codebook„), können für diese Gespräche eine wichtige Grundlage liefern.

Daraus ergibt sich für mich die nahezu zwingende Vision:

Diese Daten müssen so einfach aufbereitet werden,
dass jedes Schulkind sie verstehen kann!

In den letzten Wochen habe ich damit angefangen.
Die ersten Ergebnisse sind in den folgenden Berichten zusammengefasst:

Es fehlen noch einige Werkzeuge wie Weltkarten, die mithilfe eines Attributs oder eines Index eingefärbt werden. Das ist „Standard“ und kann bei Gelegenheit entstehen. Wie aber kann man 145 „Key Performance Indicators“ und die Zusammenhänge zwischen ihnen so darstellen, dass „jedes Kind“ sie erfassen kann?

Hier hilft das „Blumen-Diagramm“, eine Entwicklung der letzten Tage:

Wenn alles ausgereift ist, dann werden diese Werkzeuge in einer interaktiven „App“ zusammengebaut, die jetzt schon als „halbfunktionaler“ Prototyp verfügbar ist:

Der Democratizer

Falls meine Freunde aus USA dies lesen: wenn es Euch lieber ist, dann könnt Ihr diese App auch gerne als „Republicanizer“ interpretieren. Es geht nicht um die eine oder um die andere Partei. Und falls Sie diesen Beitrag in Cuba oder Venezuela lesen: es geht darum, den Zugang zu diesen Daten zu „sozialisieren“, sie also allen zugänglich zu machen. „Das Volk“ (griechisch Demos) soll die Verfügungsgewalt (griechisch kratein = herrschen) über die aus diesen Daten gewonnenen Einsichten haben.

Um was es hier geht

Natürlich ist es für einen Datenwissenschaftler spannend, große Datensätze wie den vorliegenden visuell aufzubereiten und ihnen Einsichten zu entlocken. Der „Democratizer“ stellt jedoch lediglich eine Produktinnovation dar. Wichtiger sind die Prozesse und Dienstleistungen, die sich mit dieser oder mit vergleichbaren, Transparenz schaffenden Apps denken lassen.

Soviel jetzt schon: ich bin überzeugt, dass es sich hier um Aufgaben einer Generation handelt, die auf einer Stufe stehen mit Aufgaben wie der Umstellung auf erneuerbare Energien oder der Säuberung der Ozeane. Wir müssen es angehen. Viel ist schon unterwegs. Es geht mir darum, „den richtigen Aschluss“ zu finden. Mehr dazu dann später.