Wie steht es um die deutsch-französische Energieeffizienz?

Warum Du diesen Beitrag lesen solltest

Das Thema „Energie“ ist in aller Munde – auch im europäischen Ausland. Dabei werden die Dinge durchaus verschieden gesehen. Wenn Du diese Debatte besser verstehen und vielleicht auch zu ihr beitragen möchtest, dann kommst Du nicht umhin, Dich mit den Entwicklungen auseinanderzusetzen. Dafür kannst Du öffentlich verfügbare Daten nutzen. Das ist einfacher, als Du denken magst.

Heute schwingt Herzblut mit

Wenn Du die Presse jenseits des Rheins verfolgst, dann kannst Du beobachten, wie in Frankreich der Geduldsfaden zu manchen deutschen Vorstellungen in Sachen Energiewende inzwischen recht dünn geworden zu sein scheint. Die gestrige FAZ bietet dazu eine Zusammenfassung. Eine detaillierte Analyse zum Stein des Anstoßes (aus Sicht der deutschen Verhandlungsseite) beziehungsweise zur Komplexität der Lösung (aus französischer Sicht) findet sich im Economist vom 12. Dezember 2022. Einig sind sich beide Seiten – aber bei weitem nicht alle gesellschaftliche Gruppen – dass es mit der Wirtschaft weiter gehen muss und dass das mit so wenig CO2-Emissionen wie möglich geschehen soll. Auf jeden Fall gibt es zum „Wie“ Gesprächs- und Handlungsbedarf.

Persönlich liegt mir sehr viel an diesen Themen. Ich glaube, dass unsere Generation die Energiewende hinkriegen und dafür über Länder und Kontinente hinweg an einem Strang ziehen muss. Ich habe zudem die 1990er-Jahre in Frankreich verbracht. Diese Erinnerungen sind mir sehr teuer. Viele meiner Freunde leben dort. Es schwingt also Herzblut mit.

Das wollen wir außen vor lassen und nehmen uns des Themas anhand von Daten an. Dafür greifen wir auf einen vorherigen Beitrag zurück, in dem wir die Aussage betrachtet haben, Deutschland setze seine Emissionen besonders effizient ein („Klimaweltmeister“). Unter den 10 größten Emittenten stand Deutschland tatsächlich vorn. Unter den 20 größten jedoch Frankreich. Wir wollen deshalb heute, anlässlich des Artikels in der FAZ, die zeitliche Entwicklung für diese beiden Länder genauer betrachten.

In meiner demokratischen Grundüberzeugung teile ich wieder die Code-Zeilen, damit Du die Analyse auch selbst nachvollziehen kannst.

Los geht’s!

Die Weltbank stellt ihre Daten zur Verfügung, damit wir sie nutzen

Wenn Du die Datenbank der Weltbank noch nicht kennst, dann schaue sie Dir unbedingt an. Es gibt zu allem von Wirtschaft über Klima zu Gesundheit und mehr für jedes Land und jedes Jahr Daten – und das seit dem Jahr 1960. Mit den folgenden Zeilen kannst Du sie Dir auf Deinen Rechner holen. Bequemerweise verwenden wir dafür die Skriptsprache R, die speziell für die Handhabung von Daten, Texten und zunehmend auch Bildern entwickelt wurde. Du kannst Sie kostenfrei installieren und hast so auf einen Schlag Zugang zu den neuesten und besten Analysewerkzeugen. Pas mal!

# Verwendete Bibliotheken
library(WDI)
library(tidyverse)

# Wir beschaffen uns die Daten.
# Heute nur zwei, CO2-Emissionen und Bruttosozialprodukt:
ID <- c("EN.ATM.CO2E.KT", "NY.GDP.MKTP.CD")
indicatortable <- WDI(indicator = ID, extra = TRUE)

# Wir filtern nach Deutschland und Frankreich
# und wählen (select) unsere Spalten aus:
data <- indicatortable %>% 
  filter(country %in% c("Germany", "France")) %>% 
  select(country, year, NY.GDP.MKTP.CD, EN.ATM.CO2E.KT)

Drei Befehle. Das war’s.

Zeitliche Entwicklung

Wie hat sich nun die CO2-Effizienz von Frankreich und Deutschland entwickelt? Wir berechnen dafür zunächst die Wirtschaftsleistung in Dollar je eingesetztes Kilogramm an emittiertem CO2. In den Daten vor 1990 fehlen einige Werte und diese Jahre blende ich deshalb aus:

# efficiency in Dollar BSP je kg CO2:
data <- data %>% 
          filter(year >= 1990) %>%
          mutate(efficiency = 
                 NY.GDP.MKTP.CD/EN.ATM.CO2E.KT/1e6) 

# Graphische Darstellung:
ggplot(data = data, 
       aes(x = year,
           y = efficiency,
           colour = country))

CO2-Effizienz der Länder Frankreich und Deutschland seit 1990. Beachte den Anstieg in Frankreich von 2000 bis 2008.

Wir sehen eine beachtliche Entwicklung: seit dem Jahr 1990 hat die deutsche Wirtschaft ihre CO2-Effizienz von zwei Dollar pro Kilogramm emittiertes CO2 auf sechs Dollar etwa verdreifacht. Für Frankreich fällt diese Steigerung zwar etwas geringer aus, dafür aber auf deutlich höherem Niveau. Für das Jahr 2021, dem letzten Jahr, zu dem uns derzeit Daten vorliegen, halten wir fest:

Die französische Wirtschaft hat eine 50% höhere Energieeffizienz als die deutsche: 9 Dollar je Kilogramm CO2 anstatt 6 Dollar.

Zurücklehnen dürfen wir uns in Deutschland sicher nicht

Dass die französische Wirtschaft CO2-effizienter wirtschaftet als die deutsche, das ist auch diesseits des Rheins unbestritten. In unserem vorherigen Beitrag haben wir zudem gesehen, dass solche Kennzahlen mit Vorsicht betrachtet werden müssen, denn der „wahre Klimaweltmeister“ ist die demokratische Republik Kongo. Wenn Dich das überrascht, dann schau es Dir in dem vorherigen Beitrag an. Die Struktur der Wirtschaft (Produktion und Landwirtschaft im Vergleich zu Dienstleistungen), die Art der Energieerzeugung (Öl und Gas im Vergleich zu Wind und Sonne oder Nuklearenergie) und vieles mehr spielt hier eine Rolle.

Erklären soll den oben dargestellten Unterschied zwischen Deutschland und Frankreich jemand anders. Meine Freundin Renate zweifelt diese Art der Bewertung auch grundsätzlich an: wir verwenden hier Kennzahlen einer „alten Wirklichkeit“, die „überholt“ ist, um Ziele für eine „neue Wirklichkeit“ zu formulieren, die es zu erschaffen gilt. In dieser Sichtweise – die Dir vielleicht überraschend vertraut vorkommt, wenn Du Dich mit Transformationen im Unternehmenszusammenhang auseinandersetzt – ist meine gesamte Herangehensweise hier fragwürdig.

Einig sind sich vermutlich alle: zurücklehnen dürfen wir uns in Deutschland nicht. Das will hoffentlich auch niemand. Ich bin zudem sicher nicht der einzige, der ein gutes Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich als entscheidend betrachtet für Europa – und ich meine damit den Kontinent und die Menschen, die dort leben.

Meiner Ansicht nach sollte die obige Darstellung zumindest nachdenklich, vielleicht auch etwas zurückhaltender stimmen. Auf alle Fälle sollten wir alle, so denke ich, versuchen, die jeweils andere Seite zu verstehen. Die eingangs zitierten Artikel bieten dafür eine gute Grundlage. Wer zudem noch die Sprache der anderen Seite spricht kann Brücken bauen. Die Europabrücke steht nicht umsonst zwischen Kehl und Straßburg.

Mir wird wieder einmal klar,

  • wie dankbar wir für eine gute Presselandschaft sein können
  • wie wichtig es ist, die dort formulierten Denkanstöße aufzugreifen
  • und den Fragen selbst mit öffentlich verfügbaren Daten nachzugehen.