Nach einem eintägigen Management-Workshop kam letzte Woche ein Teilnehmer zu mir: „Sie wissen ja schon, dass Sie unser bisheriges Vorgehen auf den Kopf stellen, oder?“ – „Warum das denn?“ – „Mir hat man über Jahrzehnte beigebracht, dass es keine Probleme gibt, höchstens Herausforderungen. Und jetzt erzählen Sie uns von Problemdefinition, Problembeschreibung, Problemlösungsansätzen und so weiter“.
Wenn es wirklich so ist, dass Unternehmen nicht „problemorientiert“ sondern „lösungsorientiert“ denken und wenn Führungskräfte und Mitarbeiter Probleme als „Herausforderungen“ bezeichnen und damit letztlich kleinreden, dann tun sich hier vermutlich gewaltige Möglichkeiten auf.
Gehen nicht zuletzt große Erfindungen darauf zurück, dass Menschen Probleme erkennen, wo andere nicht einmal Herausforderungen und meist nur „Alltag“ sehen? Bis gegen Ende der 1990er Jahre haben wir das Internet wie ein Telefonbuch genutzt: tippe eFlowers.com in den Browser und bestelle Blumen. Ich kann mich noch an Post-it Zettel mit Web-Adressen am Bildschirm erinnern. Das war kein Problem, im Gegenteil: es war sehr praktisch, oder? Und hat vor der Erfindung des Rades dieses irgendjemandem überhaupt gefehlt? – Kein Problem also.
Wenn es so ist, dann müssen wir die Dinge tatsächlich auf den Kopf stellen: anstatt „Herausforderungen“ zu sehen, wo Probleme sind, sollten wir lernen, Probleme zu erkennen. Und zwar erst recht dann, wenn die Konkurrenz nur „Status Quo“ und „Alltag“ wahrnimmt!
Albert Einstein soll einmal gesagt haben: „wenn ich eine Stunde Zeit hätte, um ein Problem zu lösen, dann würde ich die ersten 50 Minuten darauf verwenden, es gut zu beschreiben“. Oh, stellen wir jetzt fest: die wahre Kunst besteht vermutlich darin, Probleme überhaupt erst einmal zu erkennen. Aber dafür müssen wir sie auch so nennen!