Werden unsere Seen wärmer?

Neulich war ich wieder einmal in Starnberg zu Besuch bei meinen Freunden Renate und Christian. Für mich sind sie Vorbilder eines umweltbewussten Lebensstils. Letztlich geht es auch auf sie und eine Diskussion mit unserer Tochter, dazumal noch bei Fridays for Future, zurück, dass ich seit Anfang 2020 innerhalb von Europa nicht mehr beruflich geflogen bin. Von Hamburg nach Brno, Lausanne, München oder Paris fahre ich seither und bis heute konsequent mit dem Zug.

Renate und Christian habe ich auch von meinen Untersuchungen zum Wasserstand im Panamakanal erzählt. So kamen wir auch auf den Starnberger See zu sprechen. Sehen wir auch hier den Einfluss des Klimawandels?

Ein Dank an die Obrigkeit!

Als Landschaftsarchitekt kennt Christian eine Datenquelle: den Gewässerkundlichen Dienst Bayern. Wenn Du Dich für Wasserstand und -temperatur von Gewässern interessierst, dann stellt diese Webseite eine wahre Fundgrube dar.

Zugegeben: Du kannst die Daten nicht einfach per Skript von einer URL einlesen, wie das für die CO2-Daten des Mauna Loa Observatoriums möglich ist. Die Daten kommen auch in mehreren Tabellen daher, die man miteinander verbinden muss. Aber wenn Du die Anfrage stellst, dann hast Du innerhalb weniger Minuten den Download-Link.

Und es ist eine wahre Freude, diesem „geschenkten Gaul“ ins Maul zu schauen: Seit dem Jahr 2008 liegen zum Starnberger See Messdaten in hoher Granularität vor, oft mit mehreren Messwerten pro Tag.

Ein Lob an dieser Stelle auf unsere öffentliche Verwaltung, die Qualität ihrer Arbeit und die Transparenz!

Der Starnberger See wird immer wärmer!

Um die Daten graphisch darzustellen, ziehe ich eine Zufallsstichprobe der Größe 10.000 aus den über 130.000 Messwerten:

Das geschulte Auge erkennt, dass der Sommer 2015 besonders warm war: die Kurve geht da besonders weit nach oben.

Schauen wir uns zunächst den Jahresverlauf an:

Zugegeben: das Ergebnis sieht recht wild aus. Um dem Auge zu helfen, habe ich deshalb die Farbpalette so gewählt, dass die frühen Jahre einer kalten und die späteren einer immer wärmeren Farbe zugeordnet werden. Wir erkennen am unteren Rand der Temperaturkurven eher kalte und am oberen Rand eher warme Farben:

Wird der See immer wärmer?

Um dieser Frage nachzugehen, ziehe ich aus allen Daten Jahr für Jahr den Datensatz mit der jeweils höchsten und der niedrigsten gemessenen Temperatur heraus und stelle diese wie folgt graphisch dar:

Dank der Hilfe der Ausgleichsgeraden durch diese Temperaturwerte erkennt man tatsächlich einen Anstieg. Ein statistisches Regressionsmodell zeigt, dass dieser Anstieg bei einem P-Wert von 2,4% auch tatsächlich signifikant ist. Aus der so ermittelten Steigung dieser beiden Geraden können wir schließen:

Über den betrachteten Zeitraum wurde der Starnberger See im Laufe von 12,5 Jahren um ein Grad wärmer.

Die Analyse von Umweltdaten muss „demokratisiert“ werden

Ob diese Ergebnisse mit dem Klimawandel zusammenhängen?
Das mögen andere beurteilen.

Wichtig erscheint, dass diese wertvollen Daten aufbereitet und untersucht werden sollten. Für freischaffende Blogger wie mich wäre das angesichts des Reichtums allein der Daten, die vom Gewässerkundlichen Dienst Bayern bereitgestellt werden, eine Mammutaufgabe. Nun könnte man dort studentische Hilfskräfte einstellen und so diese und ähnliche Untersuchungen (zum Beispiel zu den gemessenen Wasserständen oder der Temperaturentwicklung anderer Gewässer) anstellen.

Solch ein Herangehen erscheint aber erstens aufwendig. Denn es gibt Daten zu einer großen Anzahl von Gewässern. Zweitens und viel ärgerlicher noch: schon kurze Zeit nach diesen Untersuchungen käme bestimmt die Frage auf: „Wie sieht es eigentlich jetzt aus?“ – Und die Analysen müssten wiederholt werden.

„Statische“ Analysen – so wie hier – sind nicht geeignet. Es braucht „dynamische“ Werkzeuge mit Zugriff auf tagesaktuelle Daten.

Wird dieser Weg ein leichter sein?

Deshalb gibt es meiner Ansicht nach nur einen Weg:

  1. Die Daten müssen in einem maschinenlesbaren und möglichst über die verschiedenen Gewässer hinweg standardisierten Format direkt online abrufbar sein: So wie die CO2-Daten des Mauna Loa Observatoriums auf Hawaii.
  2. Auf Grundlage dieser Daten wird in einem „open source“ Projekt eine App erstellt – ähnlich meiner eigenen „Umwelt-App“ (eine Art „funktionaler Prototypen“ für das, was wir bauen könnten) – mit der jedermann und jedefrau die Daten selbst erkunden kann.

Denn so können alle, die sich für Temperatur oder Wasserstand eines Gewässers, oder für andere Umweltdaten interessieren, die Daten selbst erkunden und Entwicklungen und außergewöhnliche Ereignisse identifizieren, diskutieren und melden.

Weil Umweltdaten von öffentlichem Belang sind, müssen sie nicht nur frei verfügbar sein. Wir müssen auch die Möglichkeit demokratisieren, diese Daten zu erkunden.

Technisch erscheint das wahrlich kein Hexenwerk. Ich werde in den nächsten Wochen einmal auf den Gewässerkundlichen Dienst zugehen.

Wenn Du in der einen oder anderen Form mitmachen kannst oder möchtest – und sei es, weil Du jemand bei diesem oder einem anderen Dienst kennst, oder weil Du diesem Anliegen bei Entscheidungsträgern Gehör verschaffen kannst, dann melde Dich gerne!

Meiner Ansicht nach geht es um Folgendes:

  • Beim Gewässerkundlichen Dienst bewirken, dass die Datenverfügbarkeit standardiesiert und vereinfacht wird
  • Eine App bauen (bisher nutze ich R, Python ist ebenfalls denkbar), die erlaubt, die Erkundung dieser Daten zu „demokratisieren„.
  • Workshops abhalten, in denen Menschen ausprobieren können, was sie anhand der Daten über die Gewässer erfahren können, für die sie sich interessieren.

Wenn das nach einem „Just-do-it-Projekt“ für Dich klingt, dann auf und los!